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Datum

3. April 2019

Wie Dein Gehirn verhindert, dass Du Chancen ergreifst

Wie viele Chancen in Deinem Leben hast Du schon liegen lassen?

Wir alle erinnern uns an Momente, in denen wir nur hätten zugreifen müssen, eine Entscheidung anders treffen sollen, besser einen anderen Weg hätten wählen sollen. „Hinterher ist man immer klüger!“ heißt es dann meist achselzuckend. Manchmal könnten wir uns auch regelrecht in den Hintern beißen. Das ist meist dann der Fall, wenn jemand anderes die Chance tatsächlich ergriffen HAT – und er damit nun deutlich besser fährt als wir selbst – oder als wir überhaupt erwartet hätten. Hätten wir doch nur auch…

Na, was soll es, Chance vertan. Haken dran…

Du hast alle Chancen genutzt? Wetten, dass nicht?

Ganz egal wieviele Chancen Du tatsächlich schon ergriffen hast – es hat noch viel mehr gegeben, die Du gar nicht gesehen hast. Wieso das so ist, dazu komme ich später. Aber mach Dir nichts daraus – Du und ich und wir alle sind biologisch so programmiert, Chancen nur unter ganz bestimmten „Rahmenbedingungen“ als solche wahrzunehmen und zu ergreifen.

Das Ziel heißt „überleben“, nicht „glücklich sein“

Du nutzt Dein Gehirn sicher für viele interessante Dinge, aber seine oberste Aufgabe ist es, Dein Überleben zu sichern. Und das kann es am Besten, wenn es auf Nummer sicher geht. Nummer sicher – das ist der Weg, den Du schon hunderte Male erfolgreich gegangen bist. Erfolgreich heißt in diesem Fall übrigens: ohne größere Katastrophen und Probleme, so dass das Risiko dieses Weges im Nachhinein gering scheint.

Wenn Du zum Beispiel eine Entscheidung triffst, führt sie natürlich zu irgendeinem Ergebnis. Immer. Selbst, wenn Du glaubst, keine Entscheidung zu treffen, ist das natürlich trotzdem eine Entscheidung. Das Ergebnis betrachtest Du im Nachhinein. Kannst Du mit dem Ergebnis ganz gut leben (Du musst nicht einmal besonders glücklich damit sein), steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Du in einer späteren Situation ähnlich entscheidest, deutlich an.

Warum? Weil Du jetzt die Variablen einschätzen kannst und das bedeutet immer ein geringeres Risiko.

Du kennst sicher das Sprichwort: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.“? Das passt ganz gut dazu. Das Gehirn ist auf Risikovermeidungausgelegt. Das hat sich in der Evolution als besonders erfolgreiche Strategie herausgestellt, um unser Überleben zu sichern. Und genau darum geht es ja.

Deshalb ist unsere Entscheidungsfindung relativ stabil. Biologisch betrachtet heißt das, dass sich bestimmte neuronale Muster und Verknüpfungen im Gehirn bilden, die, je häufiger sie aktiviert werden, umso „fester“ werden. Du kannst das vergleichen mit breit ausgetretenen, vielleicht sogar geteerten Straßen, die gut beleuchtet und beschildert sind. Eine Art Autobahn. Die nutzt Du sicher auch lieber als einen unebenen Trampelpfad, von dem Du nicht weißt, wo er hinführt. Noch breiter wird die Autobahn übrigens, wenn nicht nur Du, sondern alle sie nutzen.

Wenn es alle machen, muss es schließlich besonders sicher und erprobt sein. Oder?

Autobahn-Chancen und Trampelpfad-Chancen

Auch unter den Chancen gibt es geteerte und grell ausgeleuchtete Autobahnen sowie gewundene, schummrige Trampelpfade. Die Autobahn-Chance ergreifen die meisten Menschen, wenn sie sich bietet. Das ist dann der Fall, wenn die Rahmenbedingungen bekannt sind und das positive Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann. Solch eine Chance wäre die Aussicht auf einen Job als Abteilungsleiter in einem großen, gesunden und alteingesessenen Unternehmen, ohne viel Wettbewerb, gerne inhabergeführt, mit top Konditionen, Betriebsrente, Betriebsrat und einem Verantwortungsbereich, dem man sich gewachsen fühlt und in dem man dennoch auch noch etwas weiterwachsen kann.

Günstige Gelegenheit bei geringem Risiko = Autobahn-Chance.

Dein Gehirn schaltet alle Scheinwerfer an und richtet Deine volle Aufmerksamkeit auf DIESE Chance. Denn es hat gelernt, dass solche Rahmenbedingungen ideal sind, weil risikoarm.

Direkt daneben liegt möglicherweise die Chance, in einem kleinen, jungen und aufstrebenden Unternehmen anzufangen und mit dem Gründerteam etwas wirklich Neues, Innovatives, Einzigartiges zu schaffen, was die Welt positiv verändern und Dich selbst erfüllen könnte – aber das Risiko ist viel höher. Der Ausgang ist ungewiss, es könnte schließlich schief gehen.

Und auch wenn Du damit vielleicht viel glücklicher würdest – Deinem Gehirn geht es nicht in allererster Linie darum, Dich glücklich zu machen, sondern darum, Dein Überleben zu sichern. Kommt beides zusammen, prima. Wenn nicht, siegt die Risikovermeidung. Entweder stellt Dein Gehirn am Anfang dieses Trampelpfades riesige Warnschilder auf und lässt ein paar Sirenen ertönen, so dass Du die Chance zwar erkennst, aber mit mulmigem Gefühl ablehnst. Oder es sorgt gleich dafür, dass Du sie erst gar nicht wahrnimmst. Das ist nicht schwach, das ist biologisch so vorgesehen.

Günstige Gelegenheit bei hohem Risiko = Trampelpfad-Chance.

Du bist nicht schwach, sondern menschlich

Manche Menschen sind risikofreudiger als andere. So scheint es jedenfalls.

Das liegt oft an Erziehung und an frühen Erfahrungen, denn in den ersten Lebensjahren wird uns der Bauplan für unsere Risikobewertung mitgegeben. Und wie erwähnt – „einmal geprägt“ bedeutet im Verlaufe des Lebens meist auch „immer tiefer EINgeprägt“.

Du bist nicht glücklich in Deiner Situation und hättest schon dutzende Mal aussteigen können? Stattdessen bist Du geblieben, wo Du bist, wo Du schon immer warst? DAS ist der Grund dafür. Risikovermeidung. Natürlich spielen auch andere Dinge eine Rolle, aber oft entpuppen sich viele davon als Ausreden, um die Entscheidung, im Alten zu verharren, zu untermauern. Deshalb bist Du nun aber weder schwach noch ein Loser, sondern ganz einfach nur menschlich.

Die fruchtbare Seite der Zerstörung

Manchmal öffnet sich eine Tür einen Spalt breit. Oder steht für kurze Zeit sperrangelweit offen. Das ist oft dann der Fall, wenn Unvorhergesehenes geschieht, trotz aller Vorsicht.

Wenn die Ereignisse sich überschlagen, die Pflastersteine des vor uns liegenden, bekannten Weges auseinander bersten und sich zu einem neuen Weg zusammenfügen, ohne Mörtel, Zement und festen Halt allerdings.

Das sind die Momente, in denen Chancen nicht dezent erscheinen, sondern uns regelrecht anschreien. Das Gehirn ist überfordert und hat keine Zeit, Warnschilder aufzustellen.

Dann geschieht es manchmal, dass wir – sozusagen regelrecht entwurzelt – diesen neuen Weg in Betracht ziehen. Mehr noch, dass wir spüren, das könnte unser EIGENTLICHER Weg sein! Der, den wir im tiefsten Inneren eigentlich gehen WOLLEN – und manche tun es dann tatsächlich. Mit wackligen Knien, von Chaos umgeben. Dann bauen wir aus den Trümmern etwas Neues – vielleicht. Das sind die Dinge, von denen wir rückblickend sagen: “Gott sei Dank ist das damals so gekommen, obwohl ich es erst gar nicht wollte!“

Das ist die fruchtbare Seite der Zerstörung.

Oft jedoch fügen sich die zerborstenen Pflastersteine nach dem Sturm doch wieder zu dem alten, festen Weg zusammen. Übrig gebliebene Löcher flicken wir krampfhaft oder verdrängen sie. Und wir richten uns wieder gemütlich ein in unserer altbekannten Nische.

Den Gedanken an die offene Tür vergraben wir in unserem Innersten, bis er verblasst. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – Chance vertan.

Keine Chance auf bessere Chancennutzung?

Doch, natürlich. Du darfst eben nur nicht hoffen, dass es schon irgendwie von allein besser wird. Die Automatismen in unserer Schaltzentrale sind mächtig. DIE musst Du aushebeln. Dafür musst Du sie Dir allerdings zuerst eingestehen.

Du musst akzeptieren, dass Du Chancen verstreichen lässt, weil Deine menschliche Natur auf „Überleben“ gepolt ist. Überleben heißt dabei nicht nur das rein biologische Überleben, sondern zum Beispiel auch das Überleben in einer sozialen Gruppe. Würdest Du in einer Gruppe wegen einer Entscheidung in Ungnade fallen und ausgestoßen werden, würdest Du nicht sterben, aber möglicherweise wäre es eine Art gesellschaftlicher Tod. Der ist oftmals gar nicht so schlimm, denn erst wenn man aus dem alten Dunstkreis austritt erkennt man, wie klein er eigentlich war und wie viele andere soziale Gruppen es noch gibt. Oder Du erkennst, dass die soziale Gruppe, die Dich wegen einer bestimmten Entscheidung gleich komplett ausgrenzt, vielleicht gar nicht so erstrebenswert war.

Aber solange man „drin“ ist, fühlt sich das sicher an. Sicher bedeutet „geringes Risiko“, und das ist Balsam für den evolutionär geprägten Teil unseres Hirns. (Entwicklungsgeschichtlich betrachtet war es übrigens tatsächlich wichtig fürs Überleben, nicht von seinem Clan oder seiner Horde ausgestoßen zu werden. Auch das sitzt noch tief in uns drin.)

Resilienz: Egal, wie die Würfel fallen

Das mit der Prägung geht natürlich in beide Richtungen.

Je öfter Du etwas Neues wagst, desto größer die Chance, es noch mal zu wagen. Nicht nur, wenn es gut geht – sondern auch weil Du lernst, dass Du auch mit Fehlschlägen klar kommst. Dein Gehirn weiß dann: Egal was kommt, Du kommst damit klar. Diese Denkweise ist nah dran an hoher Resilienz.

Natürlich ist mir bewusst, dass es oftmals viel komplizierter ist als hier geschildert. Manchmal können wir bestimmte Chancen tatsächlich nicht ergreifen, obwohl wir gerne würden. Manchmal geht es einfach wirklich nicht. Wirklich nicht? Die Kunst liegt darin, zu unterscheiden.

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