Emotionale Erpressung ist psychischer Missbrauch. Das Opfer wird von jemandem, mit dem es in einer privaten oder auch geschäftlichen Beziehung steht, manipuliert. Das Druckmittel ist dabei die Beziehung.
Diese Art der Manipulation kommt in verschiedenen Abstufungen vor. Narzissten wenden sie häufig und besonders gerissen an, aber auch in vielen nicht-narzisstischen Beziehungen spielt sie eine Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Das Pflichtgefühl aktivieren
Der emotionale Erpresser (oder die emotionale Erpresserin) appelliert häufig an das Pflichtgefühl seines (oder ihres) Opfers, um es gefügig zu machen:
„Wenn ich Dir wirklich etwas bedeuten würde, würdest Du tun, worum ich Dich bitte.“
„Ich habe darauf vertraut, dass Du mich aus meiner unangenehmen Lage retten würdest!“
„Ich bin so enttäuscht von Dir, weil Du mir diesen kleinen Gefallen nicht tun willst!“
„Wenn ich Dir wichtig wäre, würdest Du mich öfter besuchen!“
„Wenn Sie die Chance, die ich Ihnen in diesem Unternehmen gegeben habe, zu schätzen wüssten, würden sie freiwillig mehr Überstunden machen.“
Schuldgefühle erzeugen
Oft versucht er auch, auf manipulative Art Schuldgefühle auszulösen, in dem er sich selbst als Opfer inszeniert, dass verraten und getäuscht wurde:
„Weil Du dies oder jenes getan hast, werde ich nie wieder glücklich sein können.“
„Du hast mir mein Leben versaut. Wegen Dir bin ich völlig am Ende.“
„Wegen Deinem Verhalten bin ich psychisch krank geworden. Du bist Schuld an meinem Elend.“
„Ich habe Dich immer für liebevoll und großherzig gehalten, aber Du hast mir nur etwas vorgemacht.“
Das Ziel ist, dass das Opfer der Erpressung bereit ist, alles zu tun, um die angebliche Schuld wieder gut zu machen. Selbst dann, wenn sie völlig an den Haaren herbeigezogen ist! Wenn diese Falle zuschnappt, befindet es sich völlig in der Hand des Erpressers.
Angst auslösen
Auch Angst nutzt der emotionale Erpresser, um sein Opfer seinem Willen zu unterwerfen. Dabei droht er damit, es zu bestrafen, wenn es nicht nach seiner Nase tanzt. Alternativ droht er damit sich selbst zu bestrafen – was dann wieder Schuldgefühle bei seinem Opfer auslösen würde.
„Wenn Du nicht tust, was ich will, werde ich Dich verlassen.“
„Wenn Du mich verlässt, werde ich mir etwas antun!“
„Wenn Du nicht endlich zur Vernunft kommst, werde ich Deiner Mutter von Deinem Geheimnis erzählen. Das wird sie umbringen – und Du bist schuld daran.“
Erpressen mit Gefühlen und Beziehung
Auf einen Nenner gebracht heißt das alles: „Wenn Du nicht tust, was ich will, sorge ich dafür, dass Du emotional leiden wirst.“
Reden ist übrigens nicht immer nötig. Manche Erpresser machen auch einfach dicht, ziehen sich zurück, mauern und reden kein Wort mehr mit ihrem Gegenüber. Das ist eine besonders manipulative Form der Bestrafung und auch ein kleiner Vorgeschmack auf das Beenden der Beziehung. Es kann den Betroffenen schier in die Verzweiflung treiben.
Der Erpresser weiß instinktiv, dass dem Leidtragenden die Beziehung zu ihm oder zu anderen Personen wie Freunden oder Familienmitgliedern etwas bedeutet. Er nutzt seine Angst vor dem Verlust dieser Beziehung. Auch die Angst davor, in Ungnade zu fallen, als schlechter Mensch dazustehen oder für das Unglück seiner Lieben verantwortlich zu sein, lähmt das Opfer des Erpressers.
So kannst Du auf emotionale Erpressung reagieren
In vielen Beziehungen – ob privat oder beruflich – kommen hin und wieder solche Taktiken vor. Solange das die Ausnahme bleibt, kann man in der Regel gut damit umgehen. Echte emotionale Erpressung hingegen schraubt sich immer weiter hoch und das Opfer verliert jede Objektivität.
Jedes Mal, wenn der Erpresser mit seinen Methoden seinen Willen durchsetzen kann, bestärkt ihn das darin, damit weiterzumachen. Die Schlinge zieht sich immer weiter zu. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, wie man dem Täter den Wind aus den Segeln nehmen kann.
1. Erkenne die emotionale Erpressung
Der erste Schritt ist natürlich, Dir bewusst zu machen, dass Du emotional erpresst wirst. Das ist oft gar nicht so einfach. Dadurch, dass man gefühlsmäßig so stark eingebunden ist, wird man schnell blind für die Situation.
- Verursacht jemand große Schuldgefühle bei Dir, selbst wenn sie entweder völlig unangebracht oder zumindest in dieser Stärke übertrieben sind?
- Hast Du das Gefühl, ständig dem Wohlwollen einer Person hinterherzulaufen, und hast Du permanent Angst davor, bei ihr in Ungnade zu fallen?
- Erwartet diese Person von Dir, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen?
- Droht sie Dir offen oder indirekt damit, das es die Beziehung zu ihr gefährdet oder Dein Ansehen bei ihr sinkt, wenn Du Dich nicht darauf einlässt?
- Fühlst Du Dich ausgelaugt durch diese Situation?
Dann könnte es sein, dass Du emotional erpresst wirst.
2. Sprich mit dem Erpresser, falls es Sinn macht
Ob eine Aussprache Aussicht auf Erfolg hat, hängt davon ab, wie ausgeprägt die Erpressung ist und welche Art von Beziehung ihr zueinander habt. Die Bandbreite der Reaktionen startet bei einem klärenden Gespräch und endet beim totalen Kontaktabbruch. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Du entscheidest, dass ein klärendes Gespräch Sinn macht? Dann vermeide es, einfach nur Vorwürfe zu machen, sondern bleib sachlich und konstruktiv.
Erkläre, wie Du die Situation empfindest und was das in Dir auslöst. Manchen emotionalen Erpressern ist nicht wirklich bewusst, wie manipulativ sie sind. Wenn die Situation sich dadurch jedoch nicht klären lässt, solltest Du Dir die folgenden Tipps genauer ansehen.
3. Akzeptiere, dass Du Dich getäuscht hast
Wenn klar wird, dass man es mit einem emotionalen Erpresser zu tun hat, fühlt es sich oft an, als würde einem der Boden unter den Füßen entzogen.
Besonders dann, wenn es sich um eine sehr nahestehende Person wie den Partner oder die Partnerin, Mutter oder Vater oder ein anderes Familienmitglied handelt, zweifelt man häufig zunächst an sich selbst.
Viele sind fassungslos, dass ihnen jahrelang nicht aufgefallen ist, was los ist. Wenn es sich um den Partner oder die Partnerin handelt, hat man nicht selten das Gefühl, es plötzlich mit dem wahren Gesicht der Person zu tun zu haben – und zweifelt an der eigenen Urteilsfähigkeit.
Es führt zu nichts, sich dafür zu verdammen. Manche Menschen sind derart begnadete Manipulatoren, dass man fast keine Chance hat, das zu bemerken. Auf Narzissten trifft das beispielsweise häufig zu.
Andere wiederum sind nicht durch und durch so veranlagt, sondern neigen nur in Extremsituationen – zum Beispiel bei einer Trennung – zu emotionaler Erpressung. Das ist keine Entschuldigung für ihr Verhalten, erklärt aber, warum dieser Charakterzug oftmals lange Zeit nicht auffällt.
4. Stärke Dein Selbstbewusstsein
Wer schon einmal am eigenen Leib spüren musste, wie belastend es sein kann, mit Schuldgefühlen oder Angst unter Druck gesetzt zu werden, kennt das:
Man hat das Gefühl, es nicht auszuhalten – und gibt nach, nur damit der Druck aufhört. Genau das ist es, was Du zukünftig verhindern musst.
Um das zu schaffen, musst Du erkennen, dass Du den Druck sehr wohl aushalten kannst! Das meiste spielt sich in Deinem Kopf ab – all die Ängste und Schuldgefühle wabern durch Deine Gedanken. Sie sind es, die Du glaubst, nicht ertragen zu können. Aber Du kannst das!
Verspreche Dir selbst, dass Du es aushalten wirst und dass Du stark genug bist. Sag es Dir am besten jeden Tag selbst – ganz besonders, bevor Du mit der Person zusammentriffst, die Dich emotional unter Druck setzen möchte.
5. Ziehe die Grenze in Deinem Kopf
Niemand kann Angst oder Schuldgefühle einfach so in Dich hinein pflanzen. Du musst es schon zulassen! Mach Dir klar, dass Du selbst der Manipulation Tür und Tore öffnest, wenn Du das Spiel mitspielst.
Stell Dir einmal folgende Fragen:
- Würde jede andere Person an Deiner Stelle exakt genauso reagieren wie Du?
- Kennst Du vielleicht sogar jemanden, der anders reagieren würde?
- Kannst Du Dir zumindest vorstellen, dass jemand anders reagieren könnte?
Ich rede übrigens nicht von „besser“, nur von „anders“.
Wenn ja, wird Dir sehr schnell klar, dass nicht der Erpresser die Macht hat, sondern Du selbst. Du selbst entscheidest, wie Du reagieren möchtest.
6. Verschaffe Dir Zeit, ziehe Dich zurück
Die Gefahr, unter Druck schnell nachzugeben, ist am Anfang, wenn Du gerade erst beschlossen hast, etwas zu ändern, sehr groß. Es gibt einen Trick, diese Gefahr zu mildern: Verschaffe dir etwas Bedenkzeit, in der Du in Ruhe über die Forderung nachdenken kannst.
Sage etwas wie:
„Das ist eine bedeutende Entscheidung, die ich nicht spontan treffen kann. Ich muss erst darüber nachdenken.“
„Dein Anliegen ist mir wichtig. Deshalb möchte ich mir dazu ernsthaft Gedanken machen.“
Der Erpresser fühlt sich dadurch ernstgenommen und reagiert meist weniger ungehalten.
Falls die Versuchung, sofort nachzugeben, jedoch zu groß ist, kannst Du Dich zuerst kurz zurückziehen (auf Toilette gehen, den Hund füttern, eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wasser holen).
Atme dann in Ruhe tief durch, erinnere Dich daran, dass Du den Druck aushalten kannst und wende Dich dann wieder Deinem Gegenüber zu. Der Impuls, nachzugeben, ist jetzt oftmals abgeschwächt und es fällt Dir vielleicht leichter, um Bedenkzeit zu bitten.
7. Halte das Unbehagen aus
Bei jeder Verhaltensänderung – egal ob man schlechte Angewohnheiten aufgibt oder aus der Opferrolle schlüpft – stellt sich Unbehagen ein, weil es ungewohnt ist. Alles, was neu ist und unbekannt, wirkt unsicher und bedrohlich.
Das ist ganz normal und gehört zu jedem Veränderungsprozess dazu. Deshalb lässt es sich leider auch nicht gänzlich vermeiden.
Es gibt nur eine Möglichkeit, damit umzugehen: Halte das Unbehagen aus. Deshalb ist Tipp 4 so wichtig: Stärke Dein Selbstbewusstsein.
8. Analaysiere die Forderungen – kommt jemand zu Schaden?
Du sollst natürlich nicht jede Bitte oder jedes Anliegen, dass Dein Gegenüber hat, direkt als emotionale Erpressung abstempeln. Deshalb ist es wichtig, ganz objektiv für Dich zu prüfen:
- Was will die Person von Dir?
- Warum will sie es?
- Ist es objektiv gerechtfertigt?
- Hat sie versucht, Druck auszuüben? Oder war es eine normale Bitte?
- Wie fühlt sie sich für Dich an?
- Kannst du sie mit deinen Überzeugungen vereinen?
- Kommt dadurch irgendjemand – Du, der Bittsteller selbst oder eine dritte Person oder auch ein Tier – zu Schaden? Der Schaden kann auch gesundheitlicher oder psychischer Natur sein. Falls ja, solltest Du die Bitte sowieso ablehnen.
Es kommt zwar niemand zu Schaden, es ist aber dennoch emotionale Erpressung? Dann kommt natürlich doch jemand zu Schaden, nämlich Du mit Deiner Integrität, Deinem Selbstwertgefühl und Deiner Selbstachtung.
9. Du bist nicht verantwortlich
In der weltberühmten Erzählung „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry heißt es: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was Du Dir vertraut gemacht hast.“
Das ist eine wunderschöne Idee und es gibt viele Menschen, die diesen Ratschlag etwas mehr beachten könnten.
Aber gerade Opfer emotionaler Manipulation neigen dazu, die Verantwortung für alles und jeden auf sich zu nehmen. Oftmals sind es Menschen mit einem eher geringen Selbstwertgefühl.
Sie denken, ihre Schultern sind breit genug, um alle Last der Welt allein zu tragen.
Sie denken auch häufig, ihr eigenes Glück ist nicht so bedeutend und dass es nicht schlimm ist, wenn sie für das Glück anderer leiden.
Im Persönlichkeitsprofil des Enneagramms entsprechen sie häufig Typ 2. (Bist Du Typ 2? Mach den kostenlosen Sofort-Test!)
Für sie ist es ganz besonders wichtig, zu akzeptieren, dass sie nicht für das Glück anderer erwachsener Menschen verantwortlich sind! Diese Menschen sind selbst verantwortlich. Selbstverständlich kann man andere unterstützen und ihnen Hilfe anbieten. Aber niemand ist auf der Welt, um andere glücklich zu machen.
10. Stellung beziehen, Grenzen setzen
Wenn Du Dir im Klaren darüber bist, dass Du auf die Forderung des Erpressers nicht eingehen willst, ist es an der Zeit, Stellung zu beziehen und klare Grenzen zu setzen.
Das können kleinere Grenzen sein, wenn es um alltägliche Dinge geht. Aber es kann natürlich auch dazu kommen, dass eine Beziehung – privat oder geschäftlich – beendet wird.
Auch, wenn das oftmals das Beste ist, wenn emotionale Erpressung überhandnimmt: Im Falle vom Misshandlung, Depression oder Angstzuständen solltest Du Dir zusätzliche Hilfe holen, falls es zu einem konsequenten Schritt wie einer Trennung kommt. Die Hilfe kann professionell sein, aber auch aus dem privaten Umfeld kommen – wichtig ist, dass Du Unterstützung hast.
11. Ins Leere laufen lassen – emotionale Erpressung kontern
Wenn Du gesagt hast, was Du willst oder nicht willst, wird der Andere reagieren.
Wenn es nicht nach seinem Willen geht, wird er wahrscheinlich zu seiner üblichen Manipulation greifen. Dann gilt es, ihn ins Leere laufen zu lassen.
Vermeide es dann, Dich zu verteidigen, zu rechtfertigen und zu erklären.Wenn der Andere sagt: „Du bist so egoistisch und selbstsüchtig, wenn Du mir diesen Gefallen nicht tun willst“, darfst du den Ball nicht zurückspielen.
Sag dann etwas wie:
„Du hast ein Recht auf Deine Meinung.“
„Ich verstehe, dass Du das so siehst.“
„Aus Deiner Perspektive sieht das bestimmt so aus.“
Wenn der Erpresser Dir droht, sich scheiden zu lassen oder Dir die Freundschaft zu kündigen, sage etwas wie:
„Es wäre schade, wenn Du das tun würdest, aber es ändert nichts an meiner Entscheidung.“
„Das ist Deine freie Entscheidung.“
„Es ist Dein gutes Recht, das so zu sehen.“
„Es tut mir leid, dass Du Dich so aufregst, aber ich stehe zu meinem Entschluss.“
Es ist natürlich zu beachten, in welcher Position Du Dich gerade befindest. Existieren reale Abhängigkeiten, an denen Du nicht sofort etwas ändern kannst?
Wenn Dein eigener Partner Dir damit droht, Dich zu verlassen, wenn Du nicht gefügig bist, ist es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin der falsche. Aber auch hier spielen natürlich oft Abhängigkeiten eine Rolle, gerade wenn Kinder im Spiel sind oder finanzielle Verstrickungen. In diesen Fällen muss sorgfältig und mit kühlem Kopf geplant werden und es sollte je nachdem professionelle Hilfe eingeschaltet werden.
Wenn Freunde Dir damit drohen, die Freundschaft zu Dir zu beenden, wenn Du nicht tust, was sie sagen, dann lass sie einfach gehen. Es waren niemals Deine Freunde.
Emotionale Erpressungsversuche sind keine Kleinigkeit. Für den Betroffenen können sie eine große psychische Belastung bedeuten, die unvorstellbar an ihren Kräften zehrt. Deshalb ist es so wichtig, beherzt eine Grenze zu ziehen und für sich selbst einzustehen.
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